Die Ausgangslage
Für die Versorgung von 2 Millionen Menschen in Hamburg und der Umgebung bereitet HAMBURG WASSER pro Tag mehr als 300.000 Kubikmeter Trinkwasser auf. Etwa ein Prozent des aufbereiten Trinkwassers landet nicht im Versorgungsnetz, sondern wird in den Wasserwerken als Brauchwasser eingesetzt, insbesondere zur Reinigung der Sandfilter.
Die Filter erfüllen die wichtige Aufgabe, natürlicherweise im Grundwasser vorkommendes Eisen und Mangan zurückzuhalten. Für eine gleichbleibende Reinigungsleistung müssen die Filter regelmäßig mit Wasser gespült und von den Eisen- und Mangananhaftungen befreit werden. Das Gemisch aus Eisen, Mangan und Wasser, das sogenannte Spülwasser, leitet HAMBURG WASSER in Absetzbecken. Der abgesetzte Schlamm wird zur Geruchsminderung ins Sielsystem dosiert. Das klare Wasser wird in nahegelegene Bäche oder Flüsse geleitet und geht damit der Trinkwasserversorgung verloren.
Das Forschungsprojekt
Im Rahmen des Forschungsprojekts FITWAS untersucht HAMBURG WASSER gemeinsam mit mehreren Kooperationspartnern das Recycling von Spülwasser im Wasserwerk, um die Ressource wieder für die Trinkwasserproduktion einzusetzen. Das FITWAS-Team behandelt Forschungsfragen unter anderem zur Wirksamkeit unterschiedlicher Aufbereitungsverfahren und eingesetzter Filtermaterialien. Untersuchungen im Labor sowie an vier Wasserwerksstandorten in Hamburg, Niedersachsen und Berlin sollen darauf Antworten geben. Koordiniert wird FITWAS von der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) an der Technischen Universität Hamburg (TUHH).
Pilotanlage in Hamburg
Ein Forschungsstandort des FITWAS-Projekts befindet sich auf dem Gelände des Wasserwerks Süderelbmarsch im Hamburger Süden. Dort untersucht HAMBURG WASSER ein Filtrationsverfahren für Spülwasser mit einer sogenannten Polymermembran. Für die Untersuchungen hat HAMBURG WASSER eine Pilotanlage konzipiert und im Sommer 2022 aufgebaut.
Für den Betrieb der Pilotanlage wird ein Teilstrom des Spülwassers, etwa 1.000 Liter pro Stunde, aus dem Spülwasserbecken des Wasserwerks abgeleitet und in der Anlage behandelt. Das eisen- und manganhaltige Spülwasser fließt in einen Tank mit 220 Liter Fassungsvolumen.
Darin befindet sich die Polymermembran, die aus etwa 3000 dünnen Kapillarröhren besteht. Die fast zwei Meter langen hohlen Röhrchen aus flexiblem Kunststoffmaterial werden als Modul zusammengefasst und im Tank aufgestellt. An das Modul schließt eine Pumpe an, die das Schlammwasser ansaugt. Die Eisen- und Manganflocken, weitere Partikel sowie Bakterien und Viren, die über die offenen Absetzbecken ins Spülwasser gelangen können, werden an der Membranoberfläche zurückgehalten. Das saubere Wasser fließt durch die Außenwand der Kapillarröhren und von dort in einen gesonderten Tank. Ob die Filterleistung und die Qualität des gereinigten Wassers den Anforderungen für eine Wiederverwendung entsprechen, wird im Labor von HAMBURG WASSER untersucht. Dafür werden regelmäßig Proben genommen. Der Betrieb der Pilotanlage ist bis 2023 geplant.
Im weiteren Projektverlauf untersucht die FITWAS-Forschungsgruppe auch andere Aufbereitungsverfahren wie die Filtration mit Keramikmembranen oder Sandfiltern und nachgeschalteter UV-Behandlung. Beim Vergleich der unterschiedlichen Verfahren und eingesetzten Materialien sind nicht nur Fragen zur Filterqualität und -leistung interessant, sondern auch Erfahrungen zur Betriebsstabilität, zum Energiebedarf oder Wartungsaufwand. Das Projekt läuft voraussichtlich bis 2024. Es wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Förderprogramms „WAVE II“.
Innovationen für nachhaltigen Ressourceneinsatz
Das Forschungsprojekt FITWAS liefert Erkenntnisse für wichtige Zukunftsfragen der Trinkwasserversorgung. Denn der Trinkwasserbedarf von Großstädten wie Hamburg steigt - als Folge des Bevölkerungswachstums und von zunehmenden Hitzeperioden im Sommer. Die aktuelle Wasserbedarfsprognose sagt für das Versorgungsgebiet von HAMBURG WASSER einen Mehrbedarf zwischen drei und zehn Mio. Kubikmeter Rohwasser im Jahr 2050 voraus. Eine zentrale Herausforderung ist es daher, Wasser zu sparen und bisher ungenutzte Einsparpotentiale zu erschließen.
Auch weitere Einsatzmöglichkeiten von Eisen- und Manganschlamm werden geprüft
Spülwasserrecycling ist für die Erfüllung dieser Aufgabe ein wichtiger Baustein. Deutschlandweit liegt der Spülwasserverbrauch in Wasserwerken zwischen einem und vier Prozent. HAMBURG WASSER konnte den Einsatz von Spülwasser durch die Optimierung der Filterspültechnik in der Vergangenheit bereits stark reduzieren, sodass etwa 1,3 Prozent der aufbereiteten Gesamtmenge als Spülwasser in den 16 Wasserwerken anfallen. In den letzten zwei Jahren entsprach dieser Anteil circa 1,5 Mio. Kubikmeter pro Jahr. Die Aufbereitung von Spülwasser und die Wiederverwendung im Wasserwerk würde die Verfügbarkeit von Trinkwasser bedeutend erhöhen. Bei einem flächendeckenden Einsatz würde der Einspareffekt dem Trinkwasserverbrauch von 100.000 Menschen in Hamburg an 120 Tagen entsprechen (Tagesverbrauch pro Person ca. 112 Liter).
Darüber hinaus betrachtet die FITWAS-Forschung weitere Kreisläufe. Der konzentrierte Eisen- und Manganschlamm, sogenanntes Retentat, kann beispielsweise vielfach weiterverwendet werden, unter anderem in der Landwirtschaft oder um Schwefel in Biogasanlagen zu binden.
Forschung im Verbund – Förderung und Partner
Neben HAMBURG WASSER sind der Oldenburgisch-Ostfriesischer Wasserverband, die DVGW-Forschungsstelle der Technischen Universität Hamburg (TUHH), die Firmen CERAFILTEC Germany GmbH Blue Filtration aus Saarbrücken und PHL Substratkontor GmbH & Co. KG aus Friesoythe und das Umweltbundesamt Dessau-Roßlau beteiligt.
Das Verbundvorhaben FITWAS wird unter dem Förderkennzeichen 02WV1565 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und ist Teil der BMBF-Fördermaßnahme Wassertechnologien: Wasserwiederverwendung (WavE II).
Weitere Informationen zu FITWAS gibt es auf der Projekt-Webseite der TUHH.