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Hintergründe zum Wasserrechtsstreit

Im Oktober 2021 wurde am Verwaltungsgericht Lüneburg über die Wasserförderung in der Nordheide verhandelt. HAMBURG WASSER hatte gegen das Wasserrecht geklagt, das der Landkreis Harburg 2019 neu an HAMBURG WASSER erteilt hat, weil sowohl die erlaubte Fördermenge als auch die Gestattungsform die Versorgungssicherheit Hamburgs unverhältnismäßig stark einschränkt.

Autor des Inhalts: HAMBURG WASSER. Datum der Veröffentlichung:

Neben HAMBURG WASSER haben ein Umweltverband, die Klosterkammer Hannover und drei Privatpersonen geklagt, weil sie Auswirkungen auf die Natur bzw. Einschränkungen für ihre eigene wirtschaftliche Nutzung von Flächen in der Nordheide befürchteten.  

Im Urteil hat das Gericht einerseits bestätigt, dass die von HAMBURG WASSER beantragte Grundwassermenge ohne Schäden an Flora und Fauna gefördert wird und dass die Wasserförderung mit den strengen Anforderungen an Umwelt- und Naturschutz vereinbar ist. Die Drittklagen wurden damit als unbegründet abgewiesen. 

Andererseits hat das Gericht entschieden, dass die aktuell geltende gehobene Erlaubnis weiterhin Bestand haben soll – HAMBURG WASSER hatte mit seiner Klage auf eine Bewilligung gedrungen: Das Gericht billigte die Begrenzung der Entnahmemenge auf 16,1 Millionen Kubikmeter Grundwasser im langjährigen Mittel. Die geforderten 18,4 Millionen Kubikmeter Grundwasser dürfen demnach nur ausnahmsweise gefördert werden – und das auch nur, wenn die zusätzliche Fördermenge in anderen Jahren kompensiert wird.

Hamburg Wasser legt Berufung ein 

Dieses Urteil ist für uns nicht zufriedenstellend und ein schlechtes Signal für die Versorgungssicherheit Hamburgs und die Wasserwirtschaft insgesamt. Nach umfassender Prüfung der Urteilsbegründung haben sich aus unserer Sicht keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Wir halten daher an unserer bisherigen Rechtsauffassung fest und haben am 1. Dezember 2021 Berufung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt. Die Berufung wurde vom Gericht unmittelbar zugelassen.  

Hintergründe zur komplexen Thematik

Der Umweltverband und die Grundstückseigentümer hatten geklagt, weil sie Auswirkungen auf die Natur bzw. Einschränkungen für die wirtschaftliche Nutzung ihrer Flächen in der Nordheide befürchteten. Der Vorsitzende Richter Thomas Pump betonte bei der mündlichen Urteilsverkündung am 11. Oktober, dass das von HAMBURG WASSER gewählte Verfahren zur Ermittlung möglicher Auswirkungen auf die Umwelt nicht zu beanstanden ist. 

Das Gericht bestätigte, dass die von HAMBURG WASSER beantragte Grundwassermenge ohne Schäden an Flora und Fauna gefördert wird und mit den sehr strengen Anforderungen des Umwelt- und Naturschutzes vereinbar ist. Das von HAMBURG WASSER gewählte Verfahren zur Ermittlung der Umweltauswirkungen entspreche dem Stand der Technik. Es sei von den maßgeblichen Fachbehörden empfohlen worden und auch hinsichtlich der verwendeten Klimadaten als richtig erachtet worden. Sachverständige Zeugen vom Geologischen Landesdienst Niedersachens, GLD, und dem Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, NLWKN, zur Verhandlung geladen hatten, bestätigten dies während des Prozesses. Deshalb wurden die Klagen abgewiesen. Die Kläger waren der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V., die Klosterkammer Hannover sowie drei Privatpersonen, die Land- und/oder Forstwirtschaft bzw. Fischzucht betreiben. 

Hamburg ist eine wachsende Metropole. Schon bald werden über zwei Millionen Menschen in unserer Stadt leben. Auch die Zahl der Berufspendler aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die maßgeblich zum Verbrauch in Hamburg beitragen, steigt stetig. HAMBURG WASSER ist verantwortlich dafür, die Trinkwasserversorgung langfristig zu sichern. Der Genehmigungsbescheid des Landkreises Harburg trägt diesem Versorgungsauftrag aus unserer Sicht nicht angemessen Rechnung. Er schränkt die Fördermenge trotz Bedarfsnachweis und ihrer Umweltverträglichkeit ein, er beschränkt die betrieblich erforderliche Flexibilität so stark, dass ein sicherer, planmäßiger Wasserwerksbetrieb unter Einhaltung aller Nebenbestimmungen nicht vernünftig gewährleistet werden kann. Darüber hinaus sehen wir die Zulassungsart, die der Kreis gewählt hat, sehr kritisch. Die „gehobene Erlaubnis" bietet nicht die Rechtssicherheit, die die beantragte Bewilligung auszeichnet. Wir sehen es deshalb als unsere Pflicht, alles dafür zu tun, dass auch die auf uns folgenden Generationen sicher mit Trinkwasser versorgt werden können. 

HAMBURG WASSER hat beim Landkreis Harburg eine Bewilligung zur Wasserförderung beantragt. Der Landkreis hingegen hat eine „gehobene Erlaubnis" erteilt. Eine tragfähige Begründung dafür liegt unserer Auffassung nach nicht vor. Die gehobene Erlaubnis kann jederzeit eingeschränkt oder ohne Entschädigung widerrufen werden. Damit ist für uns keine ausreichende Rechts-, Versorgungs- und Investitionssicherheit gegeben. Aus Sicht von HAMBURG WASSER erfüllt der Wasserrechtsantrag Voraussetzungen für eine Bewilligung. 

Das Vorhaben ist von überragender öffentlicher Bedeutung, weil große Teile der Hamburger Bevölkerung mit dem Wasser aus der Nordheide versorgt werden. Diese Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, ist oberstes Ziel von HAMBURG WASSER. Um die Wasserförderung in der Nordheide langfristig zu sichern, muss HAMBURG WASSER auch erheblich investieren. Unter anderem ist der Bau einer Rohwasserleitung notwendig, die die Brunnen der Fassung Schierhorn mit dem Wasserwerk Nordheide verbindet. Unsere Einschätzung, dass die dafür angemessene Zulassungsform die Bewilligung ist, wird von anerkannten Rechtswissenschaftlern geteilt. Deshalb halten wir eine gerichtliche Klärung dieses Sachverhalts für angezeigt. 

HAMBURG WASSER hat beim Landkreis Harburg eine Fördermenge von bis zu 18,4 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr beantragt – für die kommenden 30 Jahre. Diesen Bedarf haben externe Gutachter für uns prognostiziert. Grundsätzlich rechnen wir durch Zuzug mit einem steigenden Verbrauch in Hamburg. Der Landkreis Harburg hat entschieden, dass in einzelnen Jahren zwar eine maximale Förderung von 18,4 Millionen Kubikmeter Wasser möglich ist, im langjährigen Mittel sollen pro Jahr aber nur 16,1 Millionen Kubikmeter gefördert werden. Diese Beschränkung ist nicht realistisch, ohne die Versorgungssicherheit unserer Kundinnen und Kunden zu gefährden. 

Unserem Antrag beigefügt ist außerdem eine wissenschaftliche Studie zum Grundwasserdargebot. Sie zeigt, dass die geforderte Menge auch tatsächlich zur Verfügung steht. Die umweltverträgliche Förderung dieser Menge wird durch eine Umweltverträglichkeitsstudie bestätigt und mit einem begleitenden Monitoring überwacht. Aus Sicht von HAMBURG WASSER gibt es keine Argumente gegen die Ausschöpfung der beantragten Menge. Die Beschränkung ist deshalb für HAMBURG WASSER nicht hinnehmbar. 

Nein, das ist nicht der Fall, auch wenn dieser Eindruck leicht entstehen kann. Für einen Vergleich der Wassermengen ist ein genauer Blick auf die Rahmenbedingungen notwendig. Im ersten Bewilligungszeitraum von 1983 bis 2004 durfte HAMBURG WASSER pro Jahr 27 Millionen Kubikmeter Wasser fördern. Schon damals hat HAMBURG WASSER diese maximal bewilligte Menge nicht vollumfänglich ausgeschöpft, in der Spitze lag die Entnahme zeitweise bei bis zu 22,1 Millionen Kubikmeter pro Jahr. Damals waren sowohl das Wasserwerk Nordheide als auch das Wasserwerk Schierhorn in Betrieb -- also die drei Brunnenfassungen Nordheide Ost, Nordheide West und Schierhorn. Seit 2005 wurden durchschnittlich nur noch 15,8 Millionen Kubikmeter Wasser aus den Fassungen Nordheide Ost und Nordheide West entnommen. Die Genehmigung der damaligen Bezirksregierung Lüneburg für das Wasserwerk Nordheide erlaubte ab 2005 eine Grundwasserfördermenge von bis zu 15,7 Mio. Kubikmeter pro Jahr. Dass die tatsächliche Förderung höher ausfiel, liegt daran, dass HAMBURG WASSER in den Jahren 2005 bis 2007 Pumpversuche durchführen durfte und in diesen Jahren bis zu 17,9 Mio. Kubikmeter Wasser gefördert hat. Die Pumpversuche erfolgten im Rahmen der Beweissicherung und waren mit der genehmigenden Behörde abgestimmt. Für die nächsten 30 Jahre hat HAMBURG WASSER einen jährlichen maximalen Bedarf von 18,4 Millionen Kubikmeter nachgewiesen. 

HAMBURG WASSER hat eine wasserrechtliche Bewilligung für die kommenden 30 Jahre beantragt. Weil das ein langer Zeitraum ist, wurde im Rahmen der Erarbeitung der Antragsunterlagen auch die künftige Entwicklung der Grundwasserneubildung und damit die Menge des zukünftig ohne negative Umweltauswirkungen förderbaren Grundwassers betrachtet. Dabei stützen wir uns auf die Prognosen von anerkannten Klimamodellen. Deren Ergebnisse besagen, dass im maritim geprägten Klima – das gilt auch für das Gebiet Nordheide – die Winterniederschläge und damit die Grundwasserneubildung zunehmen werden. Das wurde durch eine am Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie aktuell für ganz Niedersachsen durchgeführte Auswertung neuester Daten von Klimamodellen bestätigt (Ertl, Herrmann, Schlinsog, Elbracht: Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Grundwasserneubildung in Niedersachsen. Wasserwirtschaft 09/2018, 21-24.) Trotzdem werden wir regelmäßig (alle 10 Jahre) umfassend untersuchen, wie groß der Bedarf an Trinkwasser ist und wie sich die Grundwasserneubildung entwickelt. Gegebenenfalls werden die Wassermenge und das Fördermanagement angepasst. So können wir zuverlässig und bedarfsgerecht auf Veränderungen der Umwelt reagieren. 

HAMBURG WASSER hat im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie Kompensationsmaßnahmen für die beantragte Fördermenge von 18,4 Millionen Kubikmeter pro Jahr entwickelt. Ziel ist es, Auswirkungen auf die Umwelt auszugleichen, die im Vergleich zur bisherigen Förderung von gut 16 Millionen Kubikmeter pro Jahr nicht ausgeschlossen werden können. Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen hat HAMBURG WASSER bereits begonnen. Dennoch richtet sich unsere Klage auch gegen die Kompensationsmaßnahmen. Das liegt daran, dass der Landkreis Harburg in seiner gehobenen Erlaubnis von 2019 verfügt hat, dass HAMBURG WASSER diese Kompensationsmaßnahmen sofort umzusetzen hat. Da HAMBURG WASSER im langjährigen Mittel aber gar keine Erhöhung der förderbaren Menge zugestanden wird, halten wir das für nicht nachvollziehbar. Im Klartext: HAMBURG WASSER soll Kompensationen für Mehrentnahmen umsetzen, obwohl sich die künftige Fördermenge faktisch nicht erhöht. 

Im Moment gibt es für das Wasserwerk Nordheide drei Gebiete, in denen Grundwasser gewonnen wird – die drei Brunnenfassungen Ost, West und Schierhorn mit insgesamt 38 Brunnen. Die Brunnen aus Schierhorn sind allerdings in den vergangenen 17 Jahren nicht in Betrieb gewesen und müssen neu an das Werk in der Nordheide angeschlossen werden. Dazu muss zum Beispiel eine neue Rohrwasserleitung verlegt werden. Der Landkreis behält sich in seiner Entscheidung von 2019 einen Widerruf von Teilmengen aus den Gewinnungsgebieten West und Ost vor, wenn die Förderung aus der Fassung Schierhorn nicht innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Genehmigung aufgenommen wird. 

Dieser Zeitplan ist faktisch nicht umsetzbar, weil neben der reinen Bauleistung diverse Maßnahmen im Vorfeld notwendig sind: der Ankauf von Grundstücken, das Sichern von Leitungsrechten oder die Erteilung von Ausnahmeregelungen von der Naturschutzverordnung etc. Sollte der Landkreis die Zulassung aus den Fassungen West und Ost teilweise widerrufen, würde sich die Entnahmemenge weiter reduzieren. Der Widerrufsvorbehalt bedeutet für HAMBURG WASSER eine weitere Rechtsunsicherheit, die zu einer Belastung der Trinkwasserversorgung führen würde. Die Frist halten wir weder für erforderlich, noch für zumutbar, denn der Anschluss der Brunnen in Schierhorn ist von zahlreichen Faktoren abhängig, auf die HAMBURG WASSER keinen oder nur beschränkt Einfluss hat. Sie verstößt aus Sicht von HAMBURG WASSER gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 

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