Vor genau 91 Jahren – am 10. Juli 1933 – endete die Karriere von Wilhelm Holthusen als Direktor der Hamburger Wasserwerke. Der Grund: Er hatte sich geweigert, Entlassungen wegen „nicht arischer“ Abstammung zu unterschreiben und erklärte, die Beschäftigten seien ihm „treue Mitarbeiter“ gewesen. Als „politisch motivierte Abberufung“ ordnet der Historiker David Templin die Entscheidung ein. Er hat die Geschichte der Hamburger Wasserwerke im Nationalsozialismus erforscht. Holthusens Rückgrat bestätigt auch ein Tagebucheintrag einer Bekannten – der Hitler-Anhängerin Luise Solmitz: „Holthusen ist weg, es kriselte schon lange. Hat sich ganz unnötig als Demokrat betätigt, was uns unangenehm war.“
Wenige Tage nach seinem Rauswurf hat Holthusen einen Brief an den Aufsichtsrat der Hamburger Wasserwerke geschrieben. Seine Nachfahren haben ihn bis heute aufbewahrt. Darin berichtet er von seinen großen beruflichen Erfolgen und vermutet politische Gründe hinter dem vorzeitigen Ruhestand. Er mutmaßt, dass seine Zugehörigkeit zur Deutschen Demokratischen Partei und seine Einstellung zum im Frühjahr 1933 neu gewählten Betriebsrat zu seiner Absetzung führten. In dem Brief erklärt Holthusen, unter „wahrer Demokratie“ verstehe er: „Arbeiten aus sich selbst heraus zum Besten der Allgemeinheit“. Die Konflikte innerhalb der Hamburger Wasserwerke lässt er nur erahnen. So schreibt er, einigen „Wünschen“ des Betriebsrats nicht mit der „restlosen Begeisterung“ nachgekommen zu sein, die von ihm verlangt wurde.
„Er wurde seines Lebenswerks beraubt“
Wie ging das Leben weiter für Wilhelm Holthusen während der Nazi-Herrschaft? „Er wurde seines Lebenswerks beraubt“, sagt Egbert Wehinger. Er ist ein Enkel von Wilhelm Holthusen. Zwar hat er ihn selbst nicht kennengelernt, seine Mutter Hanne hat ihm jedoch viel erzählt von ihrem Vater.
29 Jahre hat sich Wilhelm Holthusen stark gemacht für gesundes Trinkwasser. Als junger Maschineningenieur kam er nach Hamburg, wo er 1904 bei der Stadtwasserkunst anfing. 1924 rückte er als Direktor an die Spitze der neu gegründeten Hamburger Wasserwerke GmbH.
Fürsorge für Beschäftigte
„Wilhelm Holthusen war ein anerkannter Mann der Stadtgesellschaft. Die alten Fotos erinnern ein wenig an Thomas Mann. Selbst im Liegestuhl ist er aufrecht, im weißen Hemd und Krawatte“, erzählt Egbert Wehinger. Die Familie lebte in Volksdorf, hatte zwei Töchter, Anneliese und Hanne. „Ich glaube, der Familie ging es richtig gut. Meine Mutter war immer voller Hochachtung und Respekt gegenüber ihren Eltern. Es muss ein sehr inniges Familienleben gewesen sein. Auch bei den Mitarbeitern soll Wilhelm beliebt gewesen sein. Er hatte zu ihnen ein sehr fürsorgliches Verhältnis, so wurde es in meiner Familie erzählt.“
Nach seiner Entlassung hat sich das Schicksal für Wilhelm Holthusen gewendet. Er erkrankte an Speiseröhrenkrebs. Am 1. August 1934 starb er mit 60 Jahren.
Größte fachliche Expertise
Holthusens Einsatz für seine Beschäftigten ist bis heute wenig bekannt. Anders ist es bei seiner fachlichen Expertise: Im Januar 1934 hat ihm der Deutsche Verein für Gas- und Wasserfachmänner seine renommierte Bunsen-Pettenkofer-Ehrentafel verliehen. Erstaunlich ist, dass er ein halbes Jahr nach seinem Rauswurf bei den Hamburger Wasserwerken ausgezeichnet wurde – als die Nationalsozialisten Politik, Kultur und Gesellschaft längst an vielen Stellen kontrollierten. Holthusens größtes fachliches Verdienst waren neue Wasserwerke für Hamburg. So konnte das Trinkwasser fast ausschließlich aus Grundwasser gewonnen werden und kaum noch aus Elbwasser.
Holthusenbad bekommt 1948 seinen Namen
Die Hamburger Wasserwerke haben sich wenige Jahre nach dem Ende der Nazi-Herrschaft an ihren Direktor erinnert. 1948 haben sie das Holthusenbad nach ihm benannt – vorher hieß es Badeanstalt Kellinghusenstraße. Das Hamburger Abendblatt schrieb dazu am 30. Oktober 1948, mit der Umbenennung wollen die Hamburger Wasserwerke ihren „langjährigen verdienstvollen Direktor“ ehren. Von den Geschehnissen 1933 findet sich kein Wort.
HAMBURG WASSER möchte heute an Wilhelm Holthusen erinnern – in Wertschätzung seiner Verdienste für die Hamburger Wasserversorgung und seines Widerstands gegenüber den Nationalsozialisten.