Rekordregenjahr lässt Grundwasser steigen – EU beschließt Finanzierung zur Eliminierung von Spurenstoffen – HAMBURG WASSERreport 2024 vorgestellt
Kernbotschaften:
• So nass wie seit über 100 Jahren nicht: Üppiger Regen sorgt für Aufwärtstrend bei den Grundwasserständen
• 4. Reinigungsstufe kommt: EU-Richtlinie bittet Hersteller von Spurenstoffen für erweiterte Abwasserreinigung zur Kasse
Mit einem Regen-Plus von 40% hat das hydrologische Jahr 2023/2024 das vorherige nochmals weit übertroffen, das immerhin ein Regen-Plus von knapp 20% erreichte. Das aktuell abgelaufene hydrologische Jahr schiebt sich mit 1.050 mm Niederschlag auf Platz 2 der regenreichsten hydrologischen Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1891. Nur 1915/1916 kam mit 1.100 mm noch mehr Regen herunter. Das zeigt der neue Wasserreport von HAMBURG WASSER, den Geschäftsführer Ingo Hannemann heute im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte. Der Regenüberschuss macht sich immer deutlicher in den Grundwasserständen bemerkbar, die nach dem üppigen Regen einen deutlichen Aufwärtstrend zeigen. Aus Sicht des Wasserversorgers nicht die einzige gute Nachricht, denn Anfang November ist die Neufassung der Kommunalabwasserrichtlinie, kurz KARL, auf EU-Ebene verabschiedet worden. Mit ihr wurde erstmals die Herstellerverantwortung klar verankert, die 80% der Kosten für den Ausbau und Betrieb vierter Reinigungsstufen auf Kläranlagen tragen sollen. Die Richtlinie muss nun in nationales Recht überführt werden, das auch die konkrete Finanzierung klärt. Einen Ansatz liefert das Fondsmodell, das Prof. Dr. Mark Oelmann von der Hochschule Ruhr-West und Geschäftsführer von MOcons entwickelt hat. Es richtet sich nach der Schädlichkeit eines Stoffes und schafft Anreize für Hersteller, gewässerschonende Produkte zu entwickeln und weniger Mikroschadstoffe einzubringen.
Da wo das vorletzte hydrologische Jahr aufgehört hat, hat das vergangene weitergemacht und es übertroffen. Zwischen November 2023 und Oktober 2024 kam in Hamburg 1.050 mm Regen herunter, während es ein Jahr zuvor bereits 900 mm waren – im 30-jährigen Mittel (1991–2020) regnet es 770 mm. „Das zweite regenreiche Jahr in Folge verstärkt den positiven Effekt in den Grundwasserleitern nochmals, die sich wieder weiter füllen“, erläutert HAMBURG WASSER-Geschäftsführer Ingo Hannemann bei der Vorstellung des diesjährigen Wasserreports. „Insbesondere der ergiebige Regen in den Wintermonaten ist relevant für die Neubildung von Grundwasser, weil er nicht durch Sonneneinstrahlung verdunstet oder von der Vegetation benötigt wird.“
Warm und regenreich – Das Wetter im hydrologischen Jahr
Insgesamt war das hydrologische Jahr 2023/2024 nicht nur regenreich, sondern auch fast durchgängig wärmer als im 30-jährigen Mittel (1991–2020), vor allem in den Monaten Februar, März und Mai. Die 39 Sommertage mit Temperaturen von mindestens 25 Grad verteilten sich vor allem auf Mai, Juli, August und September. An fünf Tagen kletterte das Thermometer über 30 Grad, zum Beispiel am 27. Juni, gefolgt von Gewitter und heftigem Starkregen. Nur zwei Monate (März, August) blieben unter den durchschnittlichen Monats-Regenmengen, so dass es keine längeren Trockenphasen gab. Während es im Vorjahr noch 24 regenlose Tage gab, fiel 2024 an elf Tagen kein Regen, was kurzzeitig für braune Rasenflächen in der Stadt sorgte.
Absolute Regen-Spitzenreiter waren der Dezember 2023 mit 138 mm (30-jähriges Mittel 1991–2020: 72 mm) und der September 2024 mit 122 mm (30-jähriges Mittel 1991–2020: 65 mm). Die größte prozentuale Abweichung zeigte sich im April 2024: In diesem Monat hat es mit 82 mm mehr als doppelt so viel geregnet wie im 30-jährigen Mittel 1991–2020 (39 mm).
Vier Mal gab es im abgelaufenen hydrologischen Jahr Starkregen der höchsten Kategorie im Hamburger Stadtgebiet. Am 26. Mai, 27. Juni, 10. Juli und am 7. August kam gebietsweise extremer Starkregen herunter und erreichte Stufe 10 im 12-stufigen Starkregenindex (SRI). Besonders eindrücklich ist die Regenmenge vom 27. Juni: 58 mm Regen in nur 45 Minuten – so viel wie sonst durchschnittlich im gesamten Monat Mai.
Aufwärtstrend bei Grundwasserständen hält an
Aufgrund des vielen Regens und der weniger häufig und intensiv ausgefallenen Trockenphasen, konnte sich die Bodenfeuchte weiter in den tiefen Untergrund fortsetzen und Wasser in die Grundwasserleiter einsickern. Grundwasserleiter sind hydraulisch komplexe Systeme und reagieren je nach Jahreszeit, Bodenbeschaffenheit und Geologie unterschiedlich schnell. „Während wir in flachen Grundwasserleitern teilweise innerhalb weniger Wochen Reaktionen auf Witterungseinflüsse sehen können, verläuft die Entwicklung in tiefen Grundwasserleitern träger“, so Hannemann. „Daher ist es umso erfreulicher, dass sich der positive Trend aus den letzten Jahren fortsetzt und sich Grundwasser verstärkt auch in tieferen Lagen wieder anreichert.“
Das nasse hydrologische Jahr 2023/2024 macht sich nicht nur bei den unterjährigen Ganglinien der Grundwasserleiter bemerkbar, sondern zeigt sich auch im langjährigen Zeitraum seit 1991. Im Jahresverlauf zeigen die flachen und mitteltiefen Grundwasserleiter teilweise weit überdurchschnittliche Füllstände und erreichen auch im langjährigen Vergleich wieder weit überdurchschnittliche Werte. Bei den tiefen Grundwasserleitern, sorgt die „Regenwelle“, die durch den Untergrund dringt, für eine regelrechte Wende: Nach einer Phase des Absinkens in den letzten Jahren ließ der üppige Regen in diesem Jahr das Niveau in tiefen Grundwasserleitern wieder auf Durchschnittswerte steigen.
Erstmalig Hersteller für weniger Spurenstoffeinträge in der Pflicht
Nicht nur mit Blick auf die Grundwasserstände gibt es positive Nachrichten. Auch in Sachen Gewässerschutz wurden mit der jüngst auf EU-Ebene verabschiedeten Neufassung der Kommunalabwasserrichtlinie (kurz: KARL) entscheidene Weichen gestellt. „Die novellierte Richtlinie ist ein Meilenstein für mehr Gewässerschutz und die Eindämmung von Spurenstoffeinträgen in die Gewässer“, ordnet Hannemann ein. „Sie nimmt endlich erstmals die Hersteller von Produkten mit Problemstoffen in die Pflicht, insbesondere zunächst die Pharma- und Kosmetikindustrie. Sie sollen demnach mindestens 80% der vollen Kosten für den Ausbau und Betrieb von vierten Reinigungsstufen auf Kläranlagen tragen, die für die Reinigung des Abwasser von Spuren- und Mikroschadstoffen nötig sind.“
Bis 2045 sollen alle Kläranlagen, die das Abwasser von mehr als 150.000 Einwohnern entsorgen, eine vierte Reinigungsstufe betreiben, um Spurenstoffe zu entfernen, die die bisherigen erprobten Reinigungsstufen unbeschadet passieren. Das betrifft rund 570 der etwa 5.900 Kläranlagen in Deutschland – somit auch Deutschlands größtes Klärwerk in Hamburg. Die Kosten für den Ausbau und Betrieb liegen laut Schätzungen bei bis zu 9 Milliarden Euro allein für Deutschland. Damit diese immensen Kosten nicht einseitig auf Verbraucher abgewälzt werden, hat Prof. Dr. Mark Oelmann von der Hochschule Ruhr-West und Geschäftsführer von MOcons ein Fondsmodell entwickelt, dass die Hersteller an den Umweltreinigungskosten beteiligt.
„Das Fondsmodell ist eine sowohl ökologisch als auch ökonomisch effiziente Lösung, indem es Anreize für Hersteller schafft, Alternativprodukte zu entwickeln, die die Umwelt weniger stark belasten“, erläutert Oelmann. „Dieses Finanzierungsmodell orientiert sich dafür nicht nur an der Konzentration eines Schadstoffs, sondern auch an seinem ökotoxischen Potenzial, also seiner Umweltschädlichkeit. Somit werden Hersteller von hochschädlichen Stoffen prozentual höher an den Kosten beteiligt.“
Bis Mitte 2027 muss KARL in nationales Recht überführt werden. „Dies beinhaltet auch die Festlegung auf die Struktur und Prozesse eines Finanzierungsinstruments“, so Oelmann. „Es muss sich auf Messstationen verständigt werden, die genaue Analytik ist zu klären und die Informationsbereitstellungen seitens der Inverkehrbringer der Spurenstoffe ist festzulegen. Auch sind die Kosten des Ausbaus vierter Reinigungsstufen im Detail zu ermitteln.“
Vierte Reinigungsstufe löst nicht alle Probleme
„Nicht minder herausfordernd ist, neben der Festlegung eines angemessenen Finanzierungsinstruments, die geeignete technische Umsetzung der vierten Reinigungsstufe für Kläranlagenbetreiber“, führt HAMBURG WASSER-Geschäftsführer Ingo Hannemann aus. „Es gibt hierbei keine one-fits-all-Lösung von der Stange, die alle Spurenstoffe auf einmal eliminiert. Daher haben wir bereits frühzeitig mit Vorplanungen für eine Erweiterung des Klärwerks Hamburg begonnen und wägen Vor- und Nachteile sowie Konsequenzen sorgfältig ab. Dazu erproben wir, welche Verfahren in welcher Kombination zur Hamburger Abwassermatrix passen und entwickeln daraus ein mehrstufiges Konzept zur Erweiterung der Kläranlage.“
Angesichts des Aufwands weitere Reinigungsstufen zu etablieren, ist Hannemanns Forderung klar: „Bei der Überführung der EU-Richtlinie in nationales Recht darf keinerlei Aufweichung der Herstellerverantwortung erfolgen. Die Kostenbeteiligung setzt genau die richtigen Anreize für die Hersteller, weniger Mikroschadstoffe in Verkehr zu bringen und umweltschonende Produkte zu entwickeln. Denn weiterhin gilt: Was gar nicht erst ins Wasser eingebracht wird, muss auch nicht aufwändig herausgefischt werden. Ein teures Aufrüsten am Ende der Prozesskette auf Kläranlagen kann nicht die alleinige Lösung sein.“
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